Für alle Schauspieler begann die Arbeit für SPANIEN mit einer intensiven Vorbereitung. Wie hat sich Ihre Recherche gestaltet?
Cornelius Obonya: Das ging Hand in Hand. Ich hab mir immer eine Rolle mit so einer Vorbereitung gewünscht und bei SPANIEN war Zeit dafür. Ich habe mich mit Anja gemeinsam bei der Fremdenpolizei erkundigt, wie dort die Tätigkeit aussieht. Wir waren auch bei der Gegenseite und haben mit Leuten von SOS Mitmensch gesprochen und ein völlig anderes Bild bekommen. Diese Recherche hat extrem viel Verständnisfür beide Seiten gebracht. Als rot-grün bewegter Bürger nimmt man schnell die Polizei als Feindbild wahr. Das stimmt bis zu einem gewissen Grad, in großem Maße aber nicht. Dann habe ich mit zweiPsychiatern über Alberts psychische Störung gesprochen und darüber diskutiert, wie er sich verhalten
könnte – durch kleine, aber aufschlussreiche Ausraster, befremdliche Antworten. Er ist kein kranker Mann, aber man könnte ihm empfehlen, einen Therapeuten aufzusuchen. Wir bemühten uns nicht, einen besonders auffälligen Typen zu kreieren, versuchten aber, stets an dieser Kante dranzubleiben.
Was hat Sie am Drehbuchs gereizt mitzumachen?
Cornelius Obonya: In diesem Film treffen lauter Menschen aufeinander, die aus vollkommen verschiedenen Gründen, den gleichen Zustand haben. Es knallt zusammen und geht auch wieder auseinander, wie Billardkugeln auf dem Tisch. Was mich angesprochen hat, war das Einweben eines Gottesbegriffs und einer Religiosität, die vollkommen losgelöst durch den Film geht. Es wird ständig mit einer Symbolik operiert, um die es dann gar nicht geht. Die Religiosität ist im Menschen drinnen und um ihn geht es.
Albert sucht nach den Worten, die liebende Menschen zueinander sagen. Warum glaubt er, im Wort die Lösung seines Problems zu finden?
Cornelius Obonya: Weil er selber keine Sprache hat. Er hat mit sich und um sich herum keine Sprache. Das Feine an Anjas Figuren ist, dass sie alle durch eine „-losigkeit“ gekennzeichnet sind, ob sie nun sprachlos, bildlos etc. sind. Irgendetwas ist nicht da, und danach wird gesucht. In Alberts Fall ist es die Sprache, weil er eine vollkommene, innere Sprachlosigkeit dem gegenüber hat, was ihm passiert.
Wie geht man in die Rolle eines negativen Charakters hinein?
Cornelius Obonya: Mit großer Leidenschaft. Ich liebe das. Wenn ich so einen Menschen spiele, dann möchte ich, dass sich der Zuschauer damit nicht identifizieren kann, sondern ihn ablehnt. Um ihn jedoch zu spielen, muss man jeden negativen Charakter bedingungslos lieben.
Trotz der Ernsthaftigkeit der Thematik birgt SPANIEN auch viel Humor. Hat Sie das besonders angesprochen?
Cornelius Obonya: Es muss selbst beim Arschloch ein kleines Zucken im Mundwinkel möglich sein. Ich kenne das von mir selber – wenn man in Zuständen ist, die für einen tragisch und entsetzlich sind, gibt es Situationen, in denen man unfreiwillig komisch ist. Dort, wo man den eigenen Humor verliert, beginnt das eigentliche psychologische Problem. Humor erhöht für viele kleine Probleme, die sonst mühselig erzählt werden müssen, in einer Miniatursituation die Fallhöhe. Ein kleiner Luftzug kommt herein, ehe man in der dicken Luft wieder weiter macht.
Anja hat nach einigen Dokumentarfilmen einen ersten Spielfilm gedreht. Wie haben Sie ihren Zugang zur Regie erlebt?
Cornelius Obonya: Aus ihrer großen Erfahrung, was die Bildgestaltung angeht, hat sie eine wunderbare Ruhe besessen. So kommen Dinge zustande. Ichwürde sofort wieder mit ihr arbeiten und ich hoffe, sie behält sich diese Arbeitsweise, ohne daran zu denken, ob sie sich jetzt eine Regiehandschrift aneignet. Ich habe mich so viele Stunden mit Anja unterhalten, aber es war nie Plapperei. In so etwas kippt man nur sehr selten und es hat viel Spaß gemacht. Es war ein ganz eigener Solitär.