Gabriel ist als Kranfahrer täglich schwindelerregenden Höhen ausgesetzt, man gewinnt den Eindruck, dass er dieses permanente Dem-Absturz-nahe-Sein, auch braucht, wenn er herunterkommt. Wie würden Sie ihn beschreiben?
Lukas Miko: Es war eine besondere Herausforderung für mich, an dieser Rolle zu arbeiten, weil sie viele Fragen aufwirft. Ich stand vor der Aufgabe, zwei Pole zu finden, die dem Zuschauer ein Spannungsfeld erlebbar machen, wo man spürt, dass Gabriel dieser Spielsucht ausgeliefert ist. Irgendetwas bekommt er durch dieses Spielen, was er durch nichts anderes im Leben zu bekommen scheint. Was es ist, will ich nicht beantworten, weil das Drehbuch es nicht tut. Gabriel ist ein Mensch, der sympathisch und ein bisschen naiv daherkommt, andererseits ist er jemand, der sich weder emotional noch in dem, was er tut, unter Kontrolle hat.
Haben Sie in der Vorbereitung mit Spielsüchtigen gesprochen?
Lukas Miko: Ich habe eine Reihe Spielsüchtiger kennengelernt und eine Zeitlang selber ganz gut gespielt. Es gibt sehr unterschiedliche Typen: jene, denen im Leben nie etwas gelingt, die im Glückspiel ein schnelles Siegererlebnis haben, jene, die davon angezogen sind, dass sie die Zukunft erraten können. Und oft sind es Menschen, die hohen Stress im Alltag haben und von diesem Psychodruck herunterkommen wollen. Das Interessante an der Spielsucht ist, dass sie die Gesellschaft anders als bei Alkohol oder Drogen, nicht als Sucht entschuldigt. Ihre moralische Verurteilung macht Spielsüchtige noch einsamer. Diese potenzielle Einsamkeit hat mich bei dieser Figur gereizt und diese Ohnmacht, dorthin zu müssen, um sich dem Risiko auch auszusetzen.
Haben Sie auch das Kranfahren erlernt?
Lukas Miko: Ich bin ein Schauspieler, der gerne alles ausprobiert, was er spielen muss, weil man da überraschende Entdeckungen macht. Ich habe am Kran eine Ausbildung gemacht und war sehr erstaunt, wie kurz sie ist. Es ist ein merkwürdiger Beruf, weil man bis zu zwölf Stunden alleine da oben ist, manchmal ohne Pause. Man richtet die ganze Zeit den Fokus seiner Augen auf etwas, das 50, 100 Meter entfernt ist. Mir war nach den ersten Einheiten immer ganz schwindelig. Dazu kommt der Druck, dass man Menschenleben gefährden kann und viele Kranfahrer können es sich nicht einmal leisten, ausreichend versichert zu sein. Es ist definitiv ein unterbezahlter und ungesicherter Beruf.
Wie ist die intensive Vorbereitung in die konkrete Rollenarbeit eingeflossen?
Lukas Miko: Wir haben uns zwei Monate lang kontinuierlich getroffen, haben neue Szenen gemeinsam entwickelt und wieder verworfen, gespielt und wieder verworfen, Ideen gewälzt. Anja war sehr offen und hat das zugelassen. Ich glaube, dass ich sehr anstrengend sein kann – im Kämpfen um etwas, was ich mit der Figur erzählen möchte. Es war schön, gemeinsam auszuloten und darum zu ringen, was man mit der Figur erzählen kann, wenn man nicht sagen will, warum sie etwas tut.
Sie mussten sich für die Rolle optisch stark verändern. Wie wurde aus Ihnen ein Engel Gabriel?
Lukas Miko: Anja und ich haben lange überlegt und ausprobiert – verschiedene Perücken, Kurzhaarfrisur, Langhaarfrisur, mit und ohne Bart, dann doch wieder alles weg. Was am Ende den Ausschlag gab, war meine Lust, mich zu verwandeln und Anjas Wunsch, dass Gabriel sich optisch abhebt. Für mich war es eine tolle Möglichkeit, eine Rolle weit weg von mir zu stellen, um mich ihr langsam anzunähern. Prinzipiell bin ich ein Schauspieler, der sich gerne verwandelt. Ich sehe es als Kompliment, wenn man mich nicht erkennt.